Mein Körper war nach der Geburt ganz blau, dies normalisierte sich nach ein paar Tagen. Den Ärzten fielen sonst keine Besonderheiten auf und ich wurde als gesund entlassen. Auch meinen Eltern fiel als Kleinkind zunächst meine Hörbeeinträchtigung nicht auf. Erst im Kindergartenalter von fünf Jahren bemerkte man, das ich auf Zurufe nicht reagierte. Auf Empfehlung der Kindergartentante konsultierten meine Eltern einen HNO Arzt, der uns zur Heilpädagogischen Beratungsstelle ins Landeskrankenhaus Klagenfurt verwies. Oberarzt Dr. Heinrich Herbst diagnostizierte eine Innenohrschwerhörigkeit, die als Folge durch Sauerstoffmangel bei der Geburt entstanden ist. Meine Haarsinneszellen im Innenohr sind zerstört und dadurch habe ich einen hochgradigen Hörverlust.

 

Meine Eltern waren zuerst natürlich sehr geschockt, denn für die damalige Zeit war ein Kind mit Entwicklungsstörungen oder einer Behinderung wie ein Unglück für die Familie, für das es sich nicht lohnte, Geld und Mühe aufzuwenden. Damals waren solche Geschöpfe oft dazu verurteilt dahinzuvegetieren. 

 

Ich war also das Sorgenkind für meine Familie. Durch intensive Gespräche mit Oberarzt Dr. Herbst haben meine Eltern die Zustimmung zur Einweisung in die damaligen Landes-Taubstummen-Anstalt in Klagenfurt gegeben. Dort gab es einen Sonderkindergarten für Hörbehinderte mit Internatsplätzen, welche zu dieser Zeit, mit Ausnahme in Wien, noch kein anderes Bundesland besaß. Auch wenn es für viele Eltern in entlegenen Gegenden ein großes Opfer bedeutete, ihr Kind jeden Montag nach Klagenfurt zu bringen und am Freitag wieder abzuholen, so war für sie diese Einrichtung doch Zielpunkt aller Hoffnungen. Allein konnten sie wenig tun, um wettzumachen, was die Natur ihrem Kinde versagte. Im Sonderkindergarten gab es entsprechend geschultes Personal mit einer systematischen heilpädagogischen Ausbildung. Gott sei Dank haben meine Eltern an mich geglaubt und dieser Institution vertraut.

 

Mit Eintritt ins Sonderkinderheim im November 1961, wo ich internatsmäßig untergebracht wurde, besuchte ich zuerst den Sonderkindergarten für vierzehn Monate. Dort musste ich mühevoll sprechen lernen und zu hören, um für die Schule und fürs spätere Leben fit zu sein. Es war für mich als Kind sehr hart die ganze Woche von zu Hause weg zu sein.

 

Wenn man während der Sprachentwicklung in jungen Jahren nichts hört, kann man naturgemäß auch nicht gut sprechen. Dies ist auch wissenschaftlich erwiesen, dass bei einem Kind bis maximal zum siebten Lebensjahr die Sprachentwicklung voll ausgebildet ist.

 

Eltern und Lehrer wissen zwar, wieviel Geduld es erfordert, einem gesunden Kinde die Sprache beizubringen. Wie mühselig aber die Arbeit ist, einem hörgeschädigten Kind Sprache zu vermitteln, kann nur der begreifen, der selbst einmal in irgendeiner Form mit diesem Problem in Berührung kam. Stundenlang täglich beim Einzeltrainer zu sitzen und dem Kind über einen Verstärker „Mama“ oder „Auto“ vorzusprechen, erfordert wahrlich ein hohes Quantum an Geduld für beide Seiten.

 

Im Februar 1963 besuchte ich die Sonderschule für Hörgeschädigte unter der Obhut der Leiterin Frau Messner, die für uns unsere Tanta Magda war. Die Audiopädagogin, Eva Hubmann, führte die Spracherziehung mit den damals zur Verfügung stehenden technischen Hilfsgeräten (Lautverstärker) Artikulationstraining durch. (siehe Foto)

Gemeinsam konnten wir mein Defizit in der Sprachentwicklung aufholen, dass ich dann die normale Volkschule besuchen konnte. Mit einem Hörverstärker in der Stofftasche und Kabel zur Ohrmuschel wurde ich für die damalige Zeit technisch gut versorgt (siehe Foto).

 

Mit neun Jahren bekam ich eine Hörbrille ohne Gläser, was für meine Mitschüler belustigend war, für mich aber eine enorme Erleichterung darstellte. 

 

Die vierjährige Volksschule schaffte ich ohne größere Probleme mit positivem Abschlusszeugnis der Regelschule. In der Hauptschule war ich im ersten Semester sogar Klassenbester (damals noch B Zug). Mein Klassenvorstand meinte, ich sei reif für den A Zug. Der Schuldirektor willigte ein und ich musste den Englischstoff vom ersten Semester mit Privatstunden nachholen, was für meine Eltern auch eine finanzielle Belastung war. Der Englischunterricht war nicht das große Problem, doch leider hatte der Klassenvorstand kein Verständnis für meine Schwerhörigkeit in den Hauptgegenständen gehabt, was sich leider in (schlechter) Benotung auswirkte. Ich war sehr enttäuscht über die maßlose Arroganz des Klassenvorstandes und bin dann im zweiten Semester freiwillig wieder in den B Zug gewechselt.

 

Leider hatten die Pädagogen auch während meiner Schulzeit nur wenig Verständnis für schwerhörige Kinder, obwohl sie technisch gut ausgestattet waren. Anscheinend waren sie überfordert mit „Problemkindern“ was auch in der Beurteilung der Noten einen Niederschlag gefunden hat. Es hängt sehr viel von den Lehrpersonen ab, wie sie mit hörbeeinträchtigten Kindern umgehen und bereit sind, die individuellen Hilfen und Möglichkeiten einzusetzen. Ich schaffte trotzdem mit starkem Willen und Ehrgeiz den Abschluss der Hauptschule.

 

Mein Berufswunsch war Koch und Konditor in einer vierjährigen Ausbildung zu absolvieren. Doch leider hat mich, in meiner Heimatgemeinde in Velden am Wörthersee, niemand wegen meiner Hörbehinderung eingestellt. Nach längerem Suchen fand ich im Jahre 1971 einen Lehrplatz als Konditor bei der Firma Fahrnberger in Klagenfurt, was damals auch sehr schwierig war, weil die geburtenstarken Jahrgänge ins Berufsleben eingestiegen sind. Nach drei Lehrjahren hatte ich die Berufsausbildung mit Auszeichnung geschafft.

 

Ich war sehr motiviert und wollte unbedingt noch Koch werden. Mit Glück fand ich eine Lehrstelle im Hotel Post in Villach, welche ebenfalls drei Jahre dauerte. Voll Freude schaffte ich auch diesmal mit Auszeichnung den Gesellenbrief.

 

Nach einigen Jahren als Jungkoch bzw. als Patissier in Zürs, Innsbruck und Bad Gastein bewarb ich mich um die Stelle als Koch im Landeskrankenhaus Klagenfurt. Ich bekam den Job und übte ihn in der Großküche als Partieführer bzw. Schichtleitervertretung bis zur Pensionierung aus.

 

Rückblickend möchte ich sagen, dass ich Glück hatte, das es damals schon einen Sonderkindergarten für Hörbehinderte gab. Mit tatkräftiger Unterstützung meiner Eltern als auch aus eigener Kraft habe ich es geschafft, voll in das gesellschaftliche Leben integriert zu sein.

 

Über eine Bekannte habe ich vom Verein Forum besser Hören -Schwerhörigenzentrum Kärnten erfahren. In der tab – Technische Assistenz und Beratung für Schwerhörige erhalte ich Beratungen bzw. Unterstützung im Umgang mit meiner Schwerhörigkeit, Hörgeräte und Technische Hilfen. Des Weiteren nehme ich an diversen Vereinsaktivitäten teil und es sind schöne Freundschaften entstanden. Bald konnte ich mich selbst aktiv einbringen und wurde Gruppenleiter und Vorstandsmitglied im Verein.

 

Bei diesem Ehrenamt kann ich nun Betroffenen zurückgeben was ich im Laufe meines Lebens als Schwerhöriger erhalten habe. Besonders freue ich mich, dass ich auch mit meinen ehemaligen Kindergartenkameraden bei den Gruppentreffen wieder zusammengekommen bin und wir uns austauschen können.

 

Abschließend möchte ich mich bei ALLEN bedanken die an mich geglaubt, begleitet und unterstützt haben und eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.